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Die eigentliche Quelle der Kraft des Yiquan liegt in den lange geheimgehaltenen Übungsmethoden des Zhanzhuang , der Stehmeditationen, auch als „Stehen wie ein Baum“- Übungen bekannt. Diese dienen zur Entwicklung des Qi, zur Schärfung des Geistes und letztlich dazu, um unser Bewusstsein zu transformieren. Man kann das Üben von Zhanzhuang mit dem stetigen Wachstum eines Baumes vergleichen. Der Übende ist dabei wie ein junger Baumsetzling, der trotz seiner anfänglichen Schwäche ruhig und aufrecht steht und dabei jeden Tag ein Bisschen wächst, bis er eines Tages zu einem großen und starken Baum geworden ist. Während dieses stetigen und allmählichen „Wachstumsprozesses“ verfolgen wir das Ziel, ein Gefühl für Bewegungen in unserem regungslosen Körper zu entwickeln.
Insbesondere wollen wir uns mit dem in unserer regungslosen Körperposition möglichen Bewegungspotential vertraut machen und lernen, in alle möglichen Bewegungsrichtungen Bewegungsimpulse mit Hilfe von Yi, d.h. dem absichtsvollen Teil unseres Bewusstseins auszusenden. Ein ganzer Bewegungsablauf wird zu diesem Zweck in repräsentative Momentaufnahmen, die Körperhaltungen („Zhuang“) genannt werden, unterteilt. Äußerlich betrachtet scheint kaum Bewegung stattzufinden, die Positionen erscheinen dem Beobachter völlig immobil. Der Übende scheint regungslos dazustehen und gar nichts zu tun. In seinem inneren jedoch findet so etwas wie aktive Bewegung statt. Wer mit dieser Art des Trainings vertraut ist, wird sehr schnell feststellen, dass dies richtig mit Arbeit verbunden ist und man schnell an seine körperlichen und mentalen Leistungsgrenzen gelangt. Insbesondere bei Anfängern erhöht sich die Pulsrate und man beginnt zu Schwitzen, die Körpertemperatur steigt an. Verschiedenste Erscheinungen, manchmal auch Symptome der inneren Arbeit genannt treten auf.

Ziel der einzelnen zu übenden Körperpositionen ist es, in der Regungslosigkeit unseres stillstehenden Körpers, das eigene Bewegungspotenzial zu erfahren und ein Gespür für den Impuls jeder Bewegung zu entwickeln. Verbindet man beide Aspekte, erhält man das, was Meister Wang als die „endlose“ oder „grenzenlose“, „ewige“ Bewegung bezeichnet hat. Hierzu fühlt der Übende in jeder Position durch Einsatz verschiedener vorgegebener Bewegungsrichtungen diesen Bewegungsimpuls, der allerdings nicht in einer tatsächlichen Bewegung unseres Körpers und seiner Gliedmaßen enden darf. Gerade dadurch entsteht ein isometrischer Effekt in unserem Körper, der als innerer Kraftaufbau erfahren wird.

Es geht im Zhang Zhuang demnach nicht darum, eine Körperposition möglichst lange (aus)halten zu können, es geht auch nicht um die Stärkung unseres Willens bzw. auch nicht um körperliches Abhärtungstraining, wie es uns vielleicht bspw. vom Training Reiten-Stellung in der tiefen Postition her bekannt ist. Dies könnte man aus Sicht des Yiquan sogar als „totes Stehen“ bezeichnen, das unserem Körper langfristig eher schadet. Es geht um die Entwicklung des lebendigen Gefühls der natürlichen inneren Kraft. Man bewegt sich in keiner Bewegung.

Shili – Die innere Kraft kosten

Shili wird übersetzt mit – das Probieren, Testen, Spüren und „Kosten“ – der Kraft. Durch seine langsamen und fließenden Bewegungen, die anfangs am Stand, später dann auch mit Schritt verbunden werden, können unterschiedliche Kraftrichtungen entwickelt und „gekostet“ werden. Dies ist ein wichtiger Teil des Yiquan Trainings und hat im Trainingsaufbau des Yiquan eine große Bedeutung. Angemessenes Shili-Training ist auch entscheidend dafür, ob man bei der Anwendung des Yiquan, z.B. im Tuishou oder im Zweikampf etwas bewirken kann oder nicht. Wang Xiangzhai sagte, „Durch Shili erfährt man die Kraft und damit weiß man um deren Anwendung“. Im Shili-Training spürt man die innere Kraft, die durch die Zhanzhuang-Übungen gewonnen wurde in der aktiven Bewegung. Man entwickelt die Fähigkeit, jederzeit bereit zu sein, um diese zu benutzen. Der Körper wird in sanften, langsamen isometrischen Bewegungen als eine Einheit bewegt. Shili hat die Funktion, unsere Körperbewegung mit dem Geist in Einklang zu bringen.
Die Übungen des Shili entwickeln die Fähigkeit, das Gefühl der inneren Kraft, welches durch die Zhanzhuang-Übungen gewonnen wurde, bei unseren Bewegungen im Raum beizubehalten. Selbst wenn man bereits lange Zeit das Zhanzhuang geübt hat, verschwindet das aufgebaute Gefühl für die Hunyuan-Kraft sofort, sobald wir dem Bewegungsimpuls in unserem Geist und unserem Empfinden nachgeben und unseren Körper oder auch nur einzelne Gliedmaßen in tatsächliche Bewegung versetzen. Durch das Shili-Training lernen wir, in jeder langsamen oder auch schnellen Körperbewegung uns innerlich ständig des gesamten Bewegungspotentials in alle Richtungen gleichzeitig gewahr zu bleiben und damit unsere innere Kraft zu spüren. Wir entwickeln dadurch die Fähigkeit, unsere innere Kraft und ihre potenziellen Ausdrucksmöglichkeiten jederzeit benutzen zu können. Der Körper wird in sanften, langsamen isometrischen Bewegungen als eine Einheit bewegt. Der Übungsschwerpunkt liegt jedoch genau wie im Zhanzhuang auf der Vorstellungskraft und der Empfindungsfähigkeit. Wichtiger wie das korrekte Ausführen der Bewegungen ist das Training des Yi. Man kann sich bspw. vorstellen, man führe die Bewegungen unter Wasser aus und spüre dabei der Wasserwiderstand auf dem Körper entgegen der eigenen Kraft- bzw. Bewegungsrichtung. etc. Dabei streben wir danach „Kraft in der Entspannung“ zu finden. Shili ist nichts anderes als Zhanzhuang in der räumlichen Ausdehnung, umgekehrt ist das Zhangzhuang Shili ohne räumliche Dimension, d.h. auf die minimale Bewegung verkürztes Shili. Warum muss man jedoch zuerst mit dem Zhanzhuang beginnen, obwohl es den meisten Anfängern so immens schwerfällt? Durch die Zhanzhuang-Übungen spüren wir allmählich die Kraft. Auf dieser Basis aufbauend können wir Shili üben, damit wir nach und nach die Kraft in eine größere Dimension zu erweitern lernen.

Die besondere Kraft des Yiquan resultiert aus der betonten Vorstellungsarbeit (Yi) und der Kombination von Geist und Körper. Innerlich verbindet es den Körper als eine „Ganzheit“ bzw. Entität und schult effiziente Bewegungsprinzipien. Beim Shili müssen wir ein feines Gespür für die Hunyuan-Kraft des Zhanzhuang entwickeln, um die innere Balance und Harmonie zu finden, ohne dabei durch Bewegung unsere eigene Hunyuan-Kraft zu verlieren. Man lernt, wie man die eigenen potenziellen Fähigkeiten zur vollen Anwendung bringt, die natürlichen Reflexe schult und automatisch, ohne erst Nachdenken zu müssen, die erworbene innere Kraft im Anwendungsfall zum „Explodieren“ bringen kann. Dadurch entwickelt unser Körper wieder die ihm innewohnende natürliche Fähigkeit, spontan zu reagieren. Aus Sicht des Yiquan wirkt das Erlernen komplizierter Selbstverteidigungstechniken der natürlichen angeborenen Selbstverteidigungsfähigkeit eher entgegen.

Auch für die einzelnen Übungen des Shili gelten gewisse Grundanforderungen und Übungsprinzipien, die bei allen Übungen eingehalten werden sollten.
1. Entspannung: 2. Langsamkeit: 3. Fließen lassen: 4. Die volle Konzentration

Jian Wu – Der Gesundheitstanz
Vor der Tang-Dynastie haben die Chinesen Gesundheitstanz geübt und danach ist er langsam verlorengegangen. Den Tanz hat eine Wirkung auf die Gesundheit und ebenso auf dem Kampfkunstaspekt und . Der Xinyiquan-Meister Huang Muqiao hat nach die alten Wandbilder von Dunhuan die Gesundheitstanz entwickelt. Wang Xiangzhai hat das im Jahr 1925 von ihm gelernt. Die Tanz besteht aus vier Teilen: Welle spielen, Weiße Kranich, fliegende Drache und schreckende Schlange. Diese Tanz beruht sich auf eine gute Basis von Zhanzhuang, Shili, Mocabu ect.. Kompakt und Ausdehnend, Stark und geschickt, Yin und Yang, weich und hart, fließende und explodierende Bewegungen. Man kann den Geist und Körper befreien und alles intuitiv tanzen. In der Tanz spürt man deutlich die innere Kraft und die lebendigen Shen- und Yi-Arbeit. Es ist die höchste Stufeform von allem. Bei der Tanz werden Shen, Yi, Qi, Li, Xing und Sheng alles ausdruckvoll trainiert.

Shisheng
Shisheng ist das Training der Stimme. Die Laute „Yi“ und „You“ werden dabei zu einem Laut verbunden. Letztlich wird der Laut nur noch innerlich freigesetzt, ohne einen hörbaren Laut zu produzieren. Verbunden mit den Fali Übungen werden diese in ihrer Explosivität gesteigert, da eine Kompression auf spezielle inneren Organe die Kraftentfaltung deutlich verstärkt. Das Training der Stimme dient auch dazu, im falle eines Kampfes den Körper im kurzen ungeschützten Moment der Kraftentladung (z.B. bei einem Punch etc.) zu schützen. Gemäß dem Yin-Yang-Prinzip befinden wir uns im Moment unseres maximalen Angriffs gleichzeitig im Minimum unserer Verteidigung. Diese Schwachstelle wird durch Shisheng bestmöglich minimiert.

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Mocabu – Der Reibende Schritt
Mocabu aktiviert die Nervenenden der Beine und Füße, dadurch werden die Beine und Füße empfindlicher in ihrer „Wahrnehmung“ bzw. Sensitivität. Nach Auffassung der chinesischen Medizin werden dadurch die durch die Beine verlaufenden Meridiane automatisch aktiviert. Genau aus diesem Grund ist Mocabu sehr förderlich für unsere Gesundheit.

Im Kampfkunstbereich lautet ein chinesisches Sprichwort: „Wenn man einen Handschlag verwendet ohne einen passenden Schritt dazu, ist es nicht gerade toll; kommt die Hand gemeinsam mit den Füßen, ist das Kämpfen beinahe kinderleicht“. Dieses Sprichwort drückt bereits die Bedeutung der Schritte in der Kampfkunst richtig aus. Im Zweikampf bewegen sich beide Seite kontinuierlich in wechselseitiger Interaktion, d.h. der Abstand bzw. die Kampfdistanz dazwischen ist fließend und ändert sich in stetigem Wechsel. Viele erfahrenen Kampfkünstler kennen das Gefühl, dass die Distanz im Allgemeinen sehr schwer zu kontrollieren ist. Wer die richtige Beinarbeit besitzt und die absolute Kontrolle über jeden seiner Schritte erlangt hat, der beherrscht die Situation und behält die Kontrolle. Im Yiquan gilt der Grundsatz: bewegt sich ein Teil des Körpers, dann bewegen sich alle Teile des Körpers als eine Einheit.

Der Aspekt der Stabilität und Mobilität in der praktischen (Kampf-)Anwendung
In der praktischen Anwendung des Yiquans, wie in sämtlichen Kampfkünsten gibt es zwei wichtige Punkte: Stabilität und Mobilität. In der Interaktion mit einem Partner bspw. beim Tuishou oder mit einem Gegner in einer realen Situation will jede der beiden Parteien im Vorteil statt im Nachteil sein. Dies erfordert einerseits Stabilität des Körpers durch einen sicheren Stand und eine stabile Körperstruktur und anderseits flexible Mobilität, um agieren und reagieren zu können. Durch die Mobilität und Stabilität können wir die explodierende Wirkung unseres Kraftpotenzials in der entsprechenden Situation ausüben, wann immer erforderlich. Dabei haben zwei wichtige Faktoren Einfluss auf die Stabilität: Körperschwerpunkt und Stützfläche des Körpers. Wenn sich der Schwerpunkt außerhalb der Stützfläche bzw. der Standfläche, die wir durch die breite unserer Beinstellung bilden, befindet, verliert man das Gleichgewicht. Normalerweise gilt, je tiefer der Schwerpunkt ist und je größer die Stützfläche durch einen breiten und tiefen Stand ist, desto stabiler stehen wir. Deswegen gilt, unter der Voraussetzung, dass man sich nicht bewegt, in dem Maße man die Stützfläche vergrößert und den Schwerpunkt absenkt, verbessert sich die Stabilität in selbem Maße. Während der Anwendung dürfen bzw. können wir, je nach Aktionen des Partners/ Gegners, aber nicht immer stehen bleiben. Ebenso führen große, ausladende Schritte und ein tiefer Schwerpunkt des Körpers zu einer Unbeweglichkeit und beeinträchtigen dadurch unsere Agilität und Flexibilität. Stabilität und Mobilität stehen demnach im Widerspruch zueinander. Sie bilden eines der Gegensatzpaare, denen das Augenmerk in der Philosophie und dem Training des Yiquan gilt. Wir können diese widersprüchliche Beziehung durch das Mocabu-Training harmonisieren, in dem wir lernen, uns der Situation anzupassen und dabei jederzeit die richtigen Schritte setzen. Durch die Entwicklung der inneren Kraft und deren Koordination im Training der Schritte erwerben wir die jederzeitige Stabilität in der Mobilität.

Fali – Die Kraft explodieren lassen
Fali bedeutet „die Kraft explodieren lassen“ und ist die Hauptwirkung der inneren Kraft in der äußeren Anwendung. Das bisherige Training von Zhanzhuang, Shili und Mocabu diente als Vorbereitung für das Fali-Training. Deshalb sollten wir erst dann mit dem Fali-Training beginnen, wenn wir eine gute Basis durch die vorangegangenen Trainingsbereiche erworben haben. Es handelt sich um spezielle Shili-Übungen. Der Übende soll erfahren, wie seine innere Kraft ein äußeres Objekt beeinflussen kann. Übungsziel ist hier genau wie im Taiji die Entwicklung von Kampfkunstfähigkeiten.

Beim Erlernen des Yiquan müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Wenn man ein falsches Bewegungsmuster entwickelt, ist es im Nachhinein nur sehr schwer wieder zu korrigieren. Die Praxis hat gezeigt, dass viele Yiquan-Übenden Fali nicht richtig ausführen können. Das kommt sowohl von der falschen Trainingsmethode, aber auch der Voreiligkeit beim Training und dem Missverständnis des Wesens von Fali. Zhanzhuang und Shili sind die derzeit geeignetsten Methoden für die Entwicklung der inneren Kraft. Wie man aber diese Kraft explodieren lassen und auch auf den Gegner wirken lassen kann, das ist die Aufgabe des Fali-Trainings. Ohne Fali-Training bleibt Yiquan letztlich ohne Anwendung. Yiquan orientiert sich an realen Kampfsituationen von Beginn an. Wir müssen bei der realen Anwendung die innere Kraft explodieren lassen können, um die Kampffähigkeit unseres Gegners bereits beim ersten Körperkontakt zu zerstören.

Tuishou – Pushing Hands
Tuishou bedeutet wörtlich „schiebende Hände“ und ist hier im Westen besser unter dem englischen Namen „Pushing Hands“ bekannt. Es beinhaltet die Übungen zum Testen der eigenen Kraft in der interaktion mit einem Partner. Es ist auch eine Test-Methode um festzustellen, wie gut die Kampfkunstfähigkeiten unseres Trainingspartners sind. Besonders beim Taijiquan ist es eine sehr populäre Trainingsmethode.

Das Tuishou in der Version des Yiquan ist eine konkrete Anwendungsmethode von Zhanzhuang, Shili und Mocabu. Es hilft enorm beim Sanshou (Freikampf-Training), besonders beim Nahkampf. In der Praxis ist es nicht zu vermeiden, dass beide Kontrahenten, sei es im Training oder in einer realen Auseinandersetzung, Kontakt haben. Beim Nahkampf macht man in der Regel Ringen, Heben, Schlagen, Werfen etc. Beim Yiquan wird solche verschiedene Techniken nicht vom Einzelfall zum Einzelfall gelernt, weil der Wechsel zwischen Techniken wesentlich langsamer als der Wechsel zwischen den Kraftrichtungen. Die Kontaktmöglichkeiten und Berührungspunkte sind dabei sehr vielfältig. Beide Kontrahenten oder Partner arbeiten beim Kontakt mit verschiedenen Druckrichtungen, in unterschiedlicher und meist wechselnder Intensität, um in der Auseinandersetzung in eine vorteilhaftere Position gegenüber dem Gegner oder Partner zu kommen. Das müssen wir verstehen lernen und genau studieren, wie wir mit dem Kontakt und den Druckverhältnissen im Kontaktmoment umgehen können. Das Tuishou in der Ausprägung des Yiquan geht unmittelbar von praktischen Situationen aus, um diese realistisch zu trainieren. Es handelt sich um einen wichtigen Teil der Anwendung des Yiquan und der inneren Kraft. Deshalb dürfen wir im Gegensatz zu den Methoden in vielen Kampfkunst-Stilen nicht zu formalistisch üben und auch nicht vorher festgelegte Partnerformen mit exakt definierten Regeln trainieren. Beim Tuishou des Yiquan müssen wir die leeren und vollen Haltungen und die starken und schwachen Druckverhältnisse spüren und verstehen lernen, um die Kraftrichtung des Gegners zu erkennen und diesen in unterschiedlichen Situationen kontrollieren zu können. Dadurch sind immer wir im Vorteil und beherrschen die Situation.

Im Vergleich mit dem Sanshou ist das Tuishou wesentlich schwieriger und komplizierter, aber das Tuishou dient letztlich dem Ziel des Sanshou. Beim Freikamp sollten wir Tuishou und Sanshou kombinieren und beide gegenseitig ergänzen. Dadurch können wir eine hohe Stufe in der Kampfkunst erreichen, andernfalls sind wir nicht mehr als geschickte Schläger. Durch die Kombination von Tuishou und Sanshou können wir viel mehr automatisch reagieren und in unserer Anwendung tun, was zu tun ist, um die Situation zu lösen. Wir können eine Auseinandersetzung durch den Kontakt mit Tuishou-Fähigkeiten gewinnen, indem wir unseren Gegner kontrollieren und seine Mitte beherrschen oder ohne vorherigen Kontakt direkte Treffer anbringen. Solche Reaktion müssen wir automatisieren, um in jeder Situation frei und angemessen handeln zu können. Erlernte Techniken und Bewegungsmuster behindern uns hier in der Regel. Die Druckverhältnisse bestimmen jederzeit unsere Aktionen und Gegenreaktionen.

Das Tuishou ist eine gute Methode, um die Qualität unserer Übungen im Zhanzhuang, Shili und Mocabu zu testen. Dadurch erhalten wir Aufschluss darüber, ob wir richtig trainiert haben oder nicht. Es hilft uns auch, Yiquan besser zu verstehen und anwenden zu können. Es ist darüber hinaus auch eine gute Methode, um die innere Kraft zu spüren und zu steuern und sie im richtigen Moment explodieren lassen zu können. Außerdem beinhaltet das Tuishou wenige gefährlichen Inhalte, d.h. man kann mit mehr Sicherheit und minimalem Verletzungsrisiko trainieren. Wir lernen durch die Kontrolle unserer Kraft, unseres Gleichgewichts und unserer Bewegungskoordination bestimmte Unfälle im Alltag zu vermeiden. Obwohl das Tuishou-Training das Sanshou-Training nicht ersetzen kann, wird Tuishou oft als ein guter und nützlichen Ersatz für den Freikampf im Training verwendet.

Ein bekanntes Sprichwort in der chinesischen Kampfkunst lautet: „Schlagen ist einfacher als Werfen, Werfen ist einfacher als Kontrollieren“. Beim Schlagen kann man den Gegner leicht treffen, wenn die eigenen Fähigkeiten etwas überlegen sind. Bei einem erfolgreichen und sauberen Werfen des Gegners unterscheiden sich die Fähigkeiten und körperlichen Voraussetzungen meist erheblich und man kann leicht Probleme bekommen, wenn die eigenen Fähigkeiten nicht perfekt sind. Aber wenn eine Partei den Gegner kontrolliert und der Gegner immer ein Problem mit seinem Gleichgewicht hat und ständig sein eigenes Gleichgewicht versuchen muss zu behalten oder wiederzufinden und dabei die ganze Zeit das Gefühl hat, wie auf einem schwankenden Boot zu stehen, dann zeigen sich wirkliche Kampfkunstfähigkeiten. Ein guter Yiquan-Meister kann im Moment des Kontakts sofort den Gegner über dessen Gleichgewicht kontrollieren und ab diesem Moment hat der Gegner sofort schon ein wackeliges Gefühl, als ob man ihm den Boden unter den Füssen entzieht. Dadurch ist er nicht mehr in der Lage zu agieren. Er ist nur mit sich selbst und seinem Gleichgewicht beschäftigt. Für Außenstehende ist das in den Körperbewegungen kaum wahrnehmbar und macht einen unspektakulären Eindruck, da niemand verprügelt oder mit Hebel- bzw. Wurftechniken besiegt wird. Dazu muss es auf dieser Ebene auch gar nicht mehr kommen, da der Gegner keine Chance mehr hat. Großen Meistern wird nachgesagt, dass sie die Fähigkeiten ihres Gegenübers schon bei einem simplen Händeschütteln erkennen können. Dazu braucht es selbstverständlich hohe Fähigkeiten und viel Erfahrung. Wir müssen aber bereits von Anfang an das Kontrollieren des Gegners erlernen statt einfach nur mit roher Muskelkraft unter Einsatz der Körpermasse zu „pushen“.

Sanshou – Freikampf
Sanshou heißt Freikampf ohne Regel. Im Sanshou können die Regeln entfernt werden, um auf Wusch sich möglichen realen Auseinandersetzungen innerhalb des Trainings zu nähern. Durch die freie und realitätsnahe Ausführung der erlernten Bewegungsprinzipien wird das nötige Timing entwickelt, um die innere Kraft rechtzeitig und im Sekundenbruchteil nach außen zu bringen.

Yiquan hat nicht nur die starke Wirkung auf die Gesundheit, sondern ist auch ein guter Anwendungsstil. Es präsentiert den Inhalt der traditionellen chinesischen Kampfkunst. Der Freikampf des Yiquan benutzt die geschickte Schrittarbeit, um immer in die Idealdistanz zu kommen. Beim Schlagen benutzen wir die explodierende Kraft und die Schläge müssen eine bohrende und durchdringende Kraft haben. Man muss möglichst durch einen Schlag den Kampf beenden. Der ganze Körper wie eine gespannte Feder. Im Kampf kann man Schlagen und Werfen kombinieren.

Yiquan als realistische Kampfkunst hat keine fixen Formen und Techniken, weil die Situationen im Laufe eines Kampfes nicht vorher festgelegt werden. Alle Figuren, die durch Schönheit und ästhetischen Ausdruck verbessert wurden, sind völlig überflüssige Bewegungen, die selten oder gar nicht funktionieren.

„Man sollte ein Gelehrter für Kampfkunstslehre werden, statt ein gedungener Handlanger“. Es gibt prinzipielle Unterschiede zwischen den verschiedenen Situationen. Im Ernstfall ist der Kampf und alle Aktionen ohne Bedingungen. Wir müssen furchtlos, geschickt, mit fokussierter Kraft und mit aller körperlichen und geistigen Kraft kämpfen oder wir werden unterliegen. Beim Training sollten wir den Trainingspartner schützen. Das ist die Tugend einer rechten Kampfkunst. Wenn wir ein besseres Niveau haben, sollten wir den Gegner im Training kontrollieren und werfen. Immer nur zu versuchen, die anderen zu verletzen macht keinen Sinn.

Die wichtigen Prinzipien beim Sanshou
Yiquan betont nicht die Methode der Einzeltechniken und Formen, aber es betont die Methode der wahren Theorie und Prinzipien. Das Geheimnis liegt immer in den Prinzipien, der Theorie und den Übungsmethoden. Die äußeren Aspekte einer Kunst sind leicht zu erlernen, die innere Sachen hingegen sind meist nur sehr schwer zu lernen. In manchen Romanen und Martial Arts Filmen wird beschrieben, wie jemand eine Kampfkunst oder deren Geheimtechniken einem Widersacher oder einer konkurrierenden Schule oder Sippe gestohlen hat. Eine Technik bzw. eine Form zu stehlen ist relativ einfach. Aber die gesamte Essenz der Prinzipien und der Theorie zu stehlen ist unmöglich.

1.Die Geistkraft kultivieren – Beim Studieren des Kampfes müssen wir zuerst unsere geistigen Kräfte aufbauen, wie Selbstvertrauen, Furchtlosigkeit, Offenherzigkeit etc. Solche Dinge gehören alle zur Kultivierung der Geistkraft. Ohne diese funktionieren alle Techniken nicht wirklich. Diese mentalen Aspekte helfen insbesondere Spitzesportlern im Wettkampf und der Wettkampfvorbereitung und auf die spezielle Trainingsmethode des Yiquans wurden in den 70er Jahren die Sportwissenschaftler in China aufmerksam. Die Übungsmethoden wurden vielerorts übernommen und in das Sporttraining mit eingebaut.

2. Einheit des Angriffs und der Verteidigung – Beim Kämpfen gibt es sowohl den Angriff wie auch die Verteidigung. Bei Yiquan sind sie wie erläutert in einem. Wir sollten nicht lernen, wie wir zuerst verteidigen oder angreifen und dann angreifen oder verteidigen. Ganz am Anfang üben wir beides gleichzeitig in einer Aktion auszuführen. Der Angriff ist das Verteidigen.

3. Mitte schützen und benutzen – Beim Tuishou haben wir schon das Prinzip kennen gelernt und es gilt erst recht auch beim Sanshou. Unser Angriff richtet sich ständig zur Mittelinie des Gegners. Egal ob wir uns gerade vorwärts oder rückwärts bewegen. Gleichzeitig schützen wir unsere eigene Mittelinie.

4. Reaktion statt Technik – Yiquan beruht auf der Kultivierung des Geistes mit dem Schwerpunkt auf der Vorstellungsarbeit, um die natürliche Kraft und umfassendes Können zu entfalten. Wenn bspw. ein Torwart beim Elfmeter den Ball kommen sieht und vom Großhirn der Befehl zum Ballhalten kommt ist es meistens bereits zu spät. Er muss vielmehr intuitiv reagieren. Beim Kampf verhält es ebenso. Wenn wir sehen, mit welcher Aktion der andere kommt, ist es meisten ebenfalls zu spät, um noch richtig zu reagieren. Das ist der Vorteil beim Yiquan. Wir trainieren am Anfang schon die natürlichen Reflexe und Instinkte, sprich unser menschliches Potenzial, um automatisch zu (re)agieren.